Gewalt gegen Frauen: Gründe und Auswirkungen

Gewalt gegen Frauen muss bekämpft werden

Gewalt hinterlässt Spuren: sichtbare und unsichtbare. Die Spuren sind in jedem Fall anhaltend. Am 25. November jährt sich der internationale Tag gegen Gewalt an Frauen. Zu diesem Anlass sprach eDarling mit Diplom-Psychologin Wiebke Neberich. Sie erklärt, warum Männer Gewalt gegen Frauen ausüben und Frauen sich häufig davor scheuen, ihre gewalttätigen Partner zu verlassen.

Gewalt gegen Frauen ― ein wiederkehrendes Szenario

Bitterlich weinend kniet er vor ihr auf dem Boden und fleht sie an, nicht zu gehen, ihn nicht zu verlassen. Sein Verhalten löst Zweifel in ihr aus. Eigentlich wollte sie sich dieses Mal nicht breitschlagen lassen, seinen versöhnlichen Worten nicht noch einmal Glauben schenken. Nicht nach den Schmerzen und blauen Flecken, die er ihr gestern zugefügt hatte. Doch nun denkt sie an seinen beruflichen Stress und die schönen Tage mit ihm, die es hin und wieder gibt. Hoffnung kommt in ihr auf: Vielleicht wird ja nun alles besser.

Gewalt gegen Frauen ist weit verbreitet, auch in der Schweiz¹. Laut einer repräsentativen Stichprobe der schweizerischen Eidgenossenschaft² aus dem Jahr 2003, werden zwei von fünf Frauen in der Schweiz mindestens einmal in ihrem Leben Opfer körperlicher Gewalt. Drei von vier Frauen haben sogar psychische Gewalt durch eine nahe stehende Person erlebt. Wann genau wird von Gewalt gegen Frauen gesprochen? „In der Psychologie differenziert man psychische Gewalt und körperlicher Gewalt,“ so Dr. Wiebke Neberich, „körperliche Gewalt fängt dort an, wo man sich tatsächlich körperlich bedroht fühlt.“ Psychische Gewalt lässt sich nicht so leicht abgrenzen. Laut Neberich fängt psychische Gewaltausübung dort an, wo die Würde des anderen nicht respektiert wird.

Warum Männer eher zuschlagen

Im Durchschnitt wird Gewalt eher gegen Frauen, als gegen Männer ausgeübt.³ Die Ursachen für dieses Phänomen liegen unter anderem in der Biologie. So kommt das Hormon Testosteron meistens in grösserem Masse bei Männern vor. „Testosteron ist ein Hormon, was auch das Machtbedürfnis oder Kampfbedürfnis, also das Wettbewerbsdenken, steigern kann. Damit wächst auch das Aggressionspotential“, so Dr. Neberich. Befindet sich der Täter ausserdem in einer Stresssituaion, steigt die Wahrscheinlichkeit einer gewalttätigen Aktion.

Warum verlässt sie ihn nicht einfach?

Häusliche Gewalt wird in der Schweiz seit dem 1. April 2004 als Offizialdelikt behandelt und somit strafrechtlich verfolgt.⁴Doch warum können sich nur wenige Frauen, von ihrem gewalttätigen Partner lösen? Ein Verhalten, das Aussenstehende oft nicht nachvollziehen können. „Das ist eine Bindungsthematik“, so die Psychologin. „Eine Theorie besagt, dass Frauen, mit einem schlechten Selbstbild, sich in einer Beziehung wohl fühlen, in der ihr negatives Selbstbild bestätigt wird.“ Aus diesem Grund schweigen viele Frauen und unternehmen nichts, um der brutalen Beziehung zu entkommen. Sie sind der Ansicht, dass sie genau solch eine Behandlung auch verdienen.

Oft nehmen Betroffene ihren Partner in Schutz und klammern sich krampfhaft an die wenigen harmonischen Tage. „Hier setzt ein psychologischer Mechanismus ein, den wir Intermittierende Verstärkung nennen“, so Neberich. Der Begriff bezeichnet eine unregelmässige Verstärkung eines Verhaltens durch Belohnung. Wurden Betroffene so konditioniert, können sie sich nur schwer davon befreien. Die Intermittierende Verstärkung gilt als am schwersten löschbares Verhaltensmuster. In Folge dessen verhalten sich Frauen wie Spielsüchtige: Jeden Tag hoffen sie auf eine positive Wendung und ein schönes Ereignis. Aus diesen Mechanismus auszubrechen ist oft nur unter therapeutischer Behandlung möglich.

Ausbrechen, aber wie?

Laut Wiebke Neberich ist es wichtig, sich bewusst zu machen, dass man respektlos behandelt wird. Jeder hat das Recht, gut behandelt zu werden. „Egal, welches Geschlecht man hat und egal welcher Herkunft, welchem Alter, welcher Ethnie man angehört. Dieses Recht ist universell und gehört allen Menschen. Wenn man das wirklich verinnerlicht hat und damit übereinstimmt, genauso wie alle anderen dieses Recht zu haben, dann ist es eine gute Voraussetzung, der Gewalt zu entkommen.“

Dr. Wiebke Neberich ist Diplom-Psychologin und leitet die Research-Abteilung bei eDarling.

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Quellen:

¹ Aktion: «Respekt ist Pflicht – für alle.», [http://www.arip.ch/aktuell/facts-figures/], Februar 2010.

² Schweizeriche Eidgenossenschaft, Informationsblatt: Zahlen zur häuslichen Gewalt, [http://www.frauennottelefon.ch/themen/Zahlen%20zur%20huslichen%20Gewalt.pdf], 06.11.2007.

³ Intervening with perpetrators of intimate partner violence: A global perspective,
[http://www.who.int/violence_injury_prevention/publications/violence/intervening/en/index.html], 15.11.2012.

⁴ Gewalt gegen Frauen, [http://www.ch.ch/private/00093/00096/00537/00546/index.html?lang=de], 15.11.2012.